Vetternwirtschaft: Ein Schaf im Wolfspelz?

18.04.2022

Im Unternehmensalltag wird die «Vetternwirtschaft», auch Nepotismus genannt, als negatives Phänomen wahrgenommen (lat. «nepote» = Neffe, Enkel, Vetter oder Verwandter). Wenn in einem Unternehmen Familienmitglieder oder enge Freunde beispielsweise bei Rekrutierungs-, Beförderungs- oder Kompensationsfragen bevorzugt werden, kann sich dies negativ auf die Arbeitszufriedenheit und das Engagement der anderen Mitarbeitenden auswirken – das zeigen zahlreiche Studien.


Organisationales Sozialkapital als Katalysator

Umso beachtenswerter erscheint vor diesem Hintergrund eine international publizierte Studie von Andreas Schmid und Anna Sender (The International Journal of HRM, 2019). Die beiden Autor:innen zeigen auf, dass sich Vetternwirtschaft unter bestimmten Bedingungen auch positiv auf den Erfolg eines Unternehmens auswirken kann. Die Studie untersuchte anhand von 77 Familienunternehmen, inwiefern Begünstigungspraktiken die Nutzung des organisationalen Sozialkapitals durch die Mitarbeitenden beeinflussen und folglich einen Effekt auf die Unternehmensleistung haben. Die Ergebnisse zeigen, dass Vetternwirtschaft einen verstärkenden und positiven Einfluss auf die Beziehung zwischen organisationalen Sozialkapital und der Unternehmensleistung hat. Was bedeutet das genau und wie funktioniert das?


Gemeinsame Normen, mehr Vertrauen und hoher Vernetzungsgrad

Das Studienergebnis stützt sich unter anderem auf einen Mechanismus, aufgrund dessen die Begünstigung von Mitarbeitenden direkt oder indirekt die sozialen Beziehungen innerhalb von Teams stärkt. In erfolgreichen Familienunternehmen, in denen Vetternwirtschaft generell häufiger anzutreffen ist, besitzen Familienmitglieder grundsätzlich mehr Einfluss im Management und in anderen Führungspositionen. Sie setzen Unternehmensressourcen in der Tendenz nachweislich eher dazu ein, das langfristige Überleben des Unternehmens zu sichern. Gemeinsame Zielsetzungen und Anreize zur Nutzung von Unternehmensressourcen werden auf dieses übergeordnete Ziel hin kombiniert. In diesem Fall sind die Mitarbeitenden eher auf das gemeinsame Ziel ausgerichtet und arbeiten im gegenseitigen Vertrauen gemeinschaftlich darauf hin. Im Fachjargon wird in diesem Zusammenhang von einem hohen «organisationalen Sozialkapital» gesprochen. Dieses ist besonders ausgeprägt, wenn im Unternehmen hohes gegenseitiges Vertrauen, kollektiv gelebte Normen, gegenseitige Unterstützung, ein hoher Vernetzungsgrad und wohlwollende informelle Beziehungen existieren. Dazu trägt positiv ausgelegte Vetternwirtschaft aktiv bei. Indirekt wird dadurch auch die Produktivität im Unternehmen gesteigert, was sich wiederum auf den Unternehmenserfolg auswirkt. Über den positiven Einfluss auf das organisationale Sozialkapital eines Unternehmens kann sich Vetternwirtschaft demnach positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken.


Vetternwirtschaft als Wettbewerbsvorteil

Anders gesagt: In Unternehmen mit einem stärkeren Vetternwirtschaftscharakter werden die Mitarbeitenden besser auf gemeinsame Ziele ausgerichtet, Wissen wird in grösserem Umfang geteilt und eher für den Erfolg und das langfristige Überleben der Firma eingesetzt. Im Gegensatz dazu besteht in Unternehmen mit geringerer Vetternwirtschaft die Gefahr, dass Mitarbeitende und Manager ihre Ressourcen eher für ihre persönlichen Interessen und nicht im Sinne des Unternehmens einsetzen.


Die Studie von Schmid & Sender (2019) zeigt damit: Unter gewissen Voraussetzungen kann positiv ausgelegte Vetternwirtschaft für Unternehmen zum Wettbewerbsvorteil werden.


Die vollständige Studie finden Sie hier (Zugang notwendig).


Kontakt

Dr. Andreas Schmid
E-Mail: schmid@schmidundpartner.com
Telefon: +41 (0)44 312 12 00

HR & Leadership: Das Personalmanagement (HRM) ist heute idealerweise integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie und nicht bloss die administrative Verwaltung der Mitarbeitenden. HRM ist DER Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. Die Steigerung der Zufriedenheit und des Engagements der Mitarbeitenden sind dabei die beiden zentralen Elemente, die es zu fokussieren gilt. Wir tragen mit fundierten Personalkonzepten und pragmatischen Umsetzungsvorschlägen massgeblich zur Zufriedenheit und Wertschöpfung Ihrer Mitarbeitenden bei.

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